In dem Wort Entscheidung ist das Wort „Scheide“ enthalten. Ein Schwert oder ein Messer wurden in einer Scheide getragen zum Schutz des Trägers, aber auch als Signal an das Gegenüber, dass momentan keine direkte Gefahr vom Träger ausgeht. Wichtig war, dass die Klinge noch in der Scheide steckte. Wenn die Klinge aus der Scheide gezogen wurde, dann gab es einen Grund zur Furcht. In vielen Geschichten des Mittelalters wird auch dargelegt, dass eine einmal gezogene Klinge nach einem „kämpferischen Abschluss“ verlangte. „Ent-scheiden“ bedeutete also in dieser Zeit, Kampf auf Leben und Tod oder bis einer das Feld räumt. Die Klinge zog man also nicht einfach so, sondern man war sich um die Tragweite dieser Entscheidung im Klaren.
Wir „entscheiden“ heute wesentlich „hemmungsloser“! Vielleicht hilft uns der Hinweis auf den Ursprung des Wortes gerade heute etwas weiter. Sind wir uns immer im Klaren darüber was wir da gerade entscheiden oder ist es nicht sehr viel häufiger ein „mal versuchen“. Das war zur Zeit des Ursprungs dieses Wortes noch anders.
Ich liebe neues Wissen, ich liebe es, mir dieses auf Seminaren und aus Büchern anzueignen. Manche Bücher begleiten mich schon Jahre meines Lebens und ich lese immer mal wieder die eine oder andere Stelle oder ein Kapitel in diesen Büchern. Manche Seminare habe ich mehr als einmal besucht, einige sogar drei, viermal. Bin ich so schwer von „Kapee“?
Nein, es ist nicht so, dass ich die Stelle im Buch oder den Inhalt des Seminars nicht verstanden hätte, es ist so, dass ich bei mehrmaliger Beschäftigung mit dem Stoff mich selbst verändert habe und den Stoff nun anders aufnehme und anders verarbeite. Ich lese den Stoff nun mit anderen Augen, und das lässt mich den Inhalt wieder auf neue Weise verstehen.
Ich führe dies aus, weil es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel, als ich in den letzten Tagen wieder über meine Entscheidungen der letzten Zeit nachdachte. Welche Ziele hatte ich erreicht und welche nicht? Warum war es mir bei einigen Zielen quasi nebenher gelungen das Ziel zu erreichen? Es war leicht gewesen und hatte gar nicht so viel Aufmerksamkeit verlangt. Bei anderen Zielen war ich kein Stück weiter gekommen.
Zwei Dinge fielen mir im Rückblick auf, und ich möchte das an einem konkreten Beispiel festmachen. Ich habe in den letzten 15 Monaten ca. 12 kg Gewicht verloren. Ich habe keine Diät gemacht. Ich habe nicht auf bestimmte Genussmittel verzichtet. Ich habe nicht ständig vor Augen ich will abnehmen, denn das war nicht mein Ziel.
Ich hatte eine, wie sich jetzt herausstellt, „folgenschwere“ Entscheidung gefällt. Ich will den Pacific Crest Trail (PCT) laufen. Ein ca. 4.300 km langer Wanderweg an der Westküste der USA. Dafür brauche ich Kondition, innere Stabilität und sicherlich noch ein paar Dinge mehr. Ich brauche Kondition und Fitness, denn 5-6 Monate mit zeitweise 18-10 kg Gepäck, die kann ich nicht so aus dem Stand heraus angehen und durchhalten. Am Anfang nahm ich mir vor, jeden Tag mindestens 10.000 Schritte zu gehen.
Sehr bald stellte ich fest, dass das mit meinen „geliebten“ Lederschuhen nicht geht, weil einmal die Schuhe sehr darunter leiden und noch viel gewichtiger, meine Füße. Andere Schuhe ist ja kein Thema wenn man „Sneakers“ schätzt, aber das hätte mir nicht gefallen, denn ich liebe es Anzüge zu tragen. Mein Physiotherapeut machte mich darauf aufmerksam, dass ich dringend etwas tun müsse, denn 10.000 und mehr Schritte in Schuhen mit Ledersohlen, dafür seien unsere Füße nun mal nicht konstruiert worden. Er empfahl mir MBT Schuhe, denn die gibt es nicht nur in der sportlichen Version sondern auch als fast „klassischen“ Anzugsschuh.
Ich hatte schon vor längerer Zeit begonnen eine Station früher aus der S-Bahn auszusteigen und nach Hause oder ins Büro zu gehen. Ich dehnte das nach und nach auf eine zweite oder auch dritte Station früher aus. 10 Minuten oder 20 Minuten konnte ich mir immer freihalten um früher auszusteigen. Nach und nach wurde es zur Gewohnheit, denn 10 Minuten gehen immer. Heute ist mir bewusst, dass dieser Satz: „10 Minuten gehen immer, Tilo“ der eine Schlüssel war und die Entscheidung der andere.
„10 Minuten gehen immer“ lautete am Anfang „5 Minuten gehen immer“ aber so leicht wie es damals war „5 Minuten“ unterzubringen, so leicht ist es heute mit „10 Minuten“. Ich hatte mir die Einstiegshürde nicht „wahnsinnig“ hoch gemacht und mir damit die Möglichkeit geschaffen einen Prozess in Gang zu setzen. Ich habe die Bewegung nicht als einen zusätzlichen Akt der Entscheidung, wie es zum Beispiel beim Joggen wäre, auferlegt, sondern in meinen ganz normalen Alltag eingebaut. Ich fahre ins Büro und dafür muss ich zum Bahnhof gehen. Das ist mein ganz normaler Alltag. Das mache ich jeden Tag und diese Routine habe ich nur um ein „paar zusätzliche Schritte“ erweitert. Mittlerweile im Durchschnitt mehr als 15.000/Tag in der Woche. Ich empfinde keinen Druck, denn es ist echt schön, sich durch diese wundervolle Hansestadt Hamburg zu bewegen. Es gibt so viele wundervolle Aus- und Einblicke auf meinen „Spaziergängen“.
Diese Entwicklung geht weiter. Alles begann mit der Entscheidung, gesund und fit im Alter zu sein und dem Ziel den PCT zu gehen. Dem Bewusstsein, dass meine derzeitige Lebenssituation einiger Veränderungen bedarf, wenn ich das wirklich, wirklich will. Der Erkenntnis, dass vieles in meiner Art die Dinge anzugehen diesem Ziel nicht unbedingt dienlich ist und der Entscheidung diese „Muster“ zumindest anzupassen. Die Chance diese Veränderungen Schritt für Schritt anzugehen, ja ich würde heute sagen in „homöopathischen“ Schritten, bahnte einem Prozess die Spur, der heute eher gebremst, als befeuert werden muss. Denn ich erkenne auch da wieder ein Muster. Wenn etwas funktioniert dann mache ich mehr und noch mehr und … dann zu viel. Dann liege ich flach (bildlich gesprochen) und drohe wieder aus dem Prozess herauszufallen, denn Gewohnheiten brauchen lange bis sie wirklich unumkehrbar sind.
Es geht bei den meisten Entscheidungen gar nicht so sehr darum das „Richtige“ zu tun, sondern darum es „richtig“ zu tun, sich zu „ent“-scheiden.
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